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Humboldt-Universität zu Berlin | BerlinScienceSurvey | Frauen sind deutlich stärker belastet als Männer.

Frauen sind deutlich stärker belastet als Männer.

Diese Nachricht erscheint im November-Newsletter der Berlin University Alliance



In der Wissenschaft wird die Gleichstellung von Männern und Frauen häufig an der Chancengleichheit beim Erreichen einer Professur festgemacht. Aktuell geht die Forschung davon aus, dass die Unterrepräsentanz von Frauen auf Professuren, nicht mit Benachteiligungen in den Berufungsverfahren zu tun hat, sondern vielmehr mit Selbstselektionen im Vorfeld und bei den Bewerbungen (Hofmeister & Solga 2025). Der Berlin Science Survey liefert Hinweise, warum Frauen weniger geneigt sein könnten, eine Karriere in der Wissenschaft anzustreben, da für sie der Arbeitsalltag deutlich belastender ist als für ihre männlichen Kollegen. Professorinnen haben es besonders schwer.

Wissenschaftler:innen sind bei ihrer alltäglichen Arbeit verschiedenen Belastungen ausgesetzt. Viele kommen dabei an ihre Belastungsgrenzen, was auch ein Risiko für die Gesundheit darstellen kann. Im Berlin Science Survey wurde Arbeitsbelastung mit acht Items gemessen, wovon zwei Items auf eine potentielle Gesundheitsgefährdung durch die Arbeit hinweisen: „erschöpft durch die Arbeit sein“ und „die Gesundheit als gefährdet ansehen“.

Wie bereits frühere Analysen des Berlin Science Survey 2024 gezeigt haben, weist die Gruppe der Professor:innen insgesamt die höchsten Belastungswerte auf, was u.a. auf das hohe Arbeitsvolumen in dieser Statusgruppe zurückzuführen ist.

Schaut man sich vor diesem Hintergrund die Angaben von Frauen und Männern im Vergleich an, so wird deutlich, dass Frauen von fast allen Belastung signifikant häufiger betroffen sind (siehe Abbildung 1). 62,5 % der Männer und 67,6 % der Frauen geben an, dass sie regelmäßig,  d.h. „oft, „sehr oft oder „immer“ unter zeitlichem Druck arbeiten. Frauen geben auch häufiger an, regelmäßig Qualitätsabstriche bei der Arbeit machen zu müssen und Arbeit aufgrund fehlender Zuarbeiten anderer nicht erledigen zu können.
Frauen nehmen auch häufiger wegen ihrer Arbeit Beeinträchtigungen ihres Privatlebens wahr. In Summa verwundert es nicht, dass Frauen sich deutlich häufiger durch die Arbeit erschöpft fühlen: 47,3 % aller männlichen Wissenschaftler, aber 58,5 % aller Wissenschaftlerinnen geben an, regelmäßig durch die Arbeit erschöpft zu sein. Da dieses „Erschöpfungs-Item“ schon ein Hinweis auf Burnout gibt, verwundert es eher, dass die Selbsteinschätzungen zur gesundheitlichen Gefährdung deutlich geringer ausfallen. Hier sind es 23,8 % der Männer und  30,1 % der Frauen, die ihre Gesundheit als gefährdet ansehen.

 

Belastungen bei der Arbeit nach Geschlecht, alle Statusgruppen

Abb. 1: Belastungen bei der Arbeit nach Geschlecht

Betrachtet man die Genderunterschiede innerhalb der einzelnen Statusgruppen – ProfessorInnen, Postdocs und Prädocs, fällt zunächst auf, dass es in allen Statusgruppen deutliche Genderdifferenzen gibt und keine Gruppe, bei der es kein Gendergap bei den Belastungen gibt.

Die Gruppe der ProfessorInnen steht, verglichen mit Postdocs und Prädocs, deutlich mehr unter zeitlichem Druck und sieht sich häufiger mit der Arbeit im Rückstand als die anderen Statusgruppen. Auffällig ist jedoch, dass in dieser Gruppe die Genderunterschiede besonders groß sind. 40 % aller Professorinnen geben an, regelmäßig, d.h. „oft“, „sehr oft“ oder „immer“ Qualitätsabstriche bei der Arbeit zu machen, was deutlich höher ist als der Anteil unter den männlichen Kollegen (26,4%). Die größten Unterschiede zeigen sich aber im Hinblick auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Mehr als die Hälfte der Professorinnen geben an, regelmäßig körperlich oder emotional durch die Arbeit erschöpft zu sein, während dies (nur) ein Drittel der männlichen Kollegen bei sich sehen – was immer noch ein viel zu hoher Wert ist. Auch das Privatleben wird von etwas mehr als 55 % der Professorinnen als regelmäßig beeinträchtigt angesehen, gegenüber 36 % der männlichen Kollegen. Dies deutet darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen und -belastungen auf der professoralen Ebene für Frauen mit besonders hohen Herausforderungen verbunden sind, vor allem wenn sie gleichzeitig familiäre Verpflichtungen wahrnehmen müssen. Das kann aber auch negative Folgen für ihre Forschung haben, wenn Qualität aufgrund des zeitlichen Drucks zurücksteht.

Belastungen bei der Arbeit, Professorinnen und Professoren

Abb. 2: Belastungen bei der Arbeit, Professorinnen und Professoren

Auch innerhalb der Gruppe der promovierten WissenschaftlerInnen zeigen sich substanzielle Geschlechterunterschiede (siehe Abbildung 3). So arbeiten weibliche Postdocs deutlich häufiger unter Zeitdruck (71,6 %). Ähnlich wie bei den ProfessorInnen geben auch hier mehr als die Hälfte der Frauen (57,1 %) an, „oft“, „sehr oft“ oder „immer“ durch die Arbeit erschöpft zu sein. Die geringsten Gender-Unterschiede in der Gruppe der Postdocs zeigen sich bei den Fragen nach den Qualitätsabstrichen bei der Arbeit und fehlender Zuarbeit durch andere. Dennoch geben rund 54 % der weiblichen Postdocs an, frustriert sein aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen ihrer Arbeit, was mit 45 %, ein deutlich kleinerer Teil der männlichen Postdocs tut. Herauszustellen ist, dass Gendergap bei der Beeinträchtigung des Privatlebens nicht annähernd so groß ist, wie bei der Gruppe der ProfessorInnen.

Belastungen bei der Arbeit, Postdocs

Abb. 3: Belastungen bei der Arbeit, Postdocs

Nicht zuletzt, zeigen sich auch in der Gruppe der Prädocs, bzw. nicht-promovierten Wissenschaftler:innen

einige Unterschiede im Hinblick auf Geschlecht (siehe Abbildung 4), wenn diese auch teilweise nicht so deutlich ausgeprägt sind, wie bei den höheren Statusgruppen. Ähnlich zu den Postdocs, sind es etwas mehr Frauen, durch die schlechten Rahmenbedingungen frustriert sind. Im Geschlechter- und Statusgruppenvergleich, sind es die weiblichen Prädocs, die mit 60,6% am häufigsten angeben regelmäßig erschöpft zu sein. Beeinträchtigen des Privatlebens durch die Arbeit, sind bei den Prädocs mit 37 bis 38 % zwar ebenfalls recht hoch, allerdings gibt es hier, anders als bei den anderen Statusgruppen keinen signifikanten Geschlechterunterschied. 

Belastungen bei der Arbeit, Prädocs

Abb. 4: Belastungen bei der Arbeit, Prädocs

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wissenschaftler:innen aller Statusgruppen stark durch ihrer Arbeit belastet sind, was sowohl zeitliche Arbeitsanforderungen als auch gesundheitliche Beeinträchtigungen umfasst. Besonders auffällig sind die Unterschiede nach Status und Geschlecht: In allen Statusgruppen sind Frauen deutlich stärker betroffen, Professorinnen weisen aber insgesamt die höchsten Belastungswerte auf verglichen mit Ihren männlichen Kollegen. Dies zeigt, dass Gender-Ungleichheiten in der Wissenschaft ein viel tiefer liegendes Problem sind, als es anhand von Karriereerfolg und Berufungschancen üblicherweise diskutiert wird. Es bedarf eines genaueren Blicks in die organisationalen Rahmenbedingungen, aber auch die Arbeits- und Forschungskulturen, um zu eruieren, wo die Benachteiligungen für Frauen entstehen, die dann zu größeren Belastungen führen.

Wichtig ist aber auch zu betonen, dass es nicht nur die Frauen sind, die an den gegenwärtigen Bedingungen leiden. Es sind sehr viele jeden Geschlechts, nur eben Frauen deutlich häufiger als Männer. Übrigens sind sich geschlechtlich nichtbinär verstehende Personen sogar noch häufiger belastet. Leider war die Fallzahl in dieser Gruppe (< 2 %) zu klein, um sie hier in die Statusgruppen spezifischen Analysen miteinbeziehen zu können.   

Referenzen:

Hofmeister, Sophie; Solga, Heike (2025): Bleiben oder Gehen? Eine
fächerspezifische Analyse von Geschlechterunterschieden im Anstreben einer Professur an
deutschen Hochschulen, WZB Discussion Paper, No. SP I 2025-501, Wissenschaftszentrum Berlin für
Sozialforschung (WZB), Berlin. https://www.econstor.eu/handle/10419/313646